24

Wir hatten mit Rad und Mr. Radley verabredet, uns in ihrem Stammhotel in Arras zu treffen. Ich blickte auf den Grande Place, auf dem am Abend unserer Ankunft ein Wanderjahrmarkt stattfand. Ein halbes Dutzend Autoscooter parkten in einer winzigen Arena unter blitzenden Lichtern, und die größten Attraktionen waren Buden, von denen die Farbe abblätterte und die Doughnuts und frites verkauften, die im selben Fett gebraten wurden, sowie ein Schießstand, der als Hauptpreise ein paar schmuddelige Plüschtiere anbot.

»So ein Mist«, sagte Lexi, als Diskomusik aus den Lautsprechern hämmerte, die mit einer Plane bedeckt waren. »Heute Nacht werden wir kein Auge zutun.«

Ich hatte mich schon den ganzen Urlaub über darauf gefreut, Rad zu sehen, eine Vorfreude, die ich für mich behalten musste. Obwohl Frances so offen war, wie man nur sein konnte, und mich bis ins kleinste Detail über ihre Schwärmereien informierte, hatte ich mein Geheimnis immer streng gehütet. Trotz ihrer Annahme, dass Rad einfach von allen bewundert werden musste, würde sie mein ernsteres Interesse an ihm als unerträglich anmaßend empfinden, da war ich mir sicher.

Aus meiner Sicht hatte dieses Treffen noch eine zusätzliche, schmerzliche Dimension: Es wäre das letzte Mal, dass ich Rad sehen würde, bevor er zur Universität ging. Er würde zehn Wochen lang weg sein, nur in den Ferien und ab und zu am Wochenende zurückkommen, und in der Zwischenzeit würden dort Mädchen sein, Mädchen, die »es« zweifellos schon getan hatten, und die im selben Studentenwohnheim wohnen würden, auf dem selben Treppenabsatz, und zu jeder Tages- und Nachtzeit vorbeischauen würden, um über Nietzsche zu diskutieren. Bei dieser Vorstellung wurde mir immer leicht schwindlig, und ich litt an Atemnot, doch ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass er dort nicht für immer wäre und dass diese imaginären Rivalinnen, egal wie schön oder intelligent sie auch waren, nicht so geduldig wären wie ich. Ich musste nur darauf warten, dass er Notiz von mir nahm, und wenn er es tat, würde ich bereit sein, und alles hätte sich gelohnt.

Der Gegenstand dieser sorgfältig geplanten Passivität saß gerade an der Bar und studierte eine topografische Karte der Somme, als wir hereinkamen. Als er uns sah, glitt er sofort von seinem Barhocker und kam, um uns mit unseren Koffern zu helfen. Er küsste Lexi und Frances, zuckte dann gewissermaßen in meine Richtung, überlegte es sich aber offensichtlich anders und nickte mir nur lächelnd zu. Vielleicht war es auch besser so - das letzte Mal, als wir Hautkontakt hatten, hatte er einen Brandfleck auf meiner Stirn hinterlassen.

»Wo ist dein Dad?«, fragte Lexi und blickte sich um.

»Zieht sich um. Er hat sich beim Abendessen einen ganzen Teller œufs à la neige auf den Schoß gekippt.« Er zog noch ein paar Hocker an die Bar heran.

»Wie war es denn?«, fragte Lexi mitfühlend. »Ich wette, du hast alles heldenhaft ertragen.«

»Es gab keine Katastrophen«, sagte Rad. »Aber er hat mich verrückt gemacht. Nächstes Jahr gehe ich bestimmt auf Inter-Rail-Tour. Ich weiß ja, dass er ein Gewohnheitstier ist, aber ich schwöre, es wird mit dem Alter schlimmer - er will immer an dieselben Orte fahren. Ich habe versucht, ihm klar zu machen, dass wir nicht weit weg von Agincourt waren und dass das Schlachtfeld von Waterloo nur eine Stunde Autofahrt entfernt war, aber er lehnte glattweg ab, dort hinzufahren. Also haben wir dieselbe Tour gemacht wie alle zwei Jahre: Ypern, Beaumont Hamel, Delviller Wald, Thiepval.« Er tippte auf die Karte vor sich. »Er muss inzwischen jeden Namen auf dem Menentor auswendig können. Der einzige Ort, den wir ausgelassen haben, ist der Soldatenfriedhof Vimy.«

»Armer Rad«, sagte Lexi beruhigend.

»Aber er ist so zwanghaft«, fuhr Rad fort. Er hatte eine Hand in seinem Haar, als müsste er sich ganze Büschel ausreißen. »Auf dem Marktplatz in Cambrai gibt es eine Pommesbude, und da halten wir immer auf dem Weg runter. Ich weiß nicht, warum; die Pommes sind nicht mal besonders gut. Aber wir sind aufgehalten worden, und als wir dort ankamen, war die Mittagszeit vorbei, und die Bude hatte geschlossen. Und Dad hat einen unglaublichen Wutanfall bekommen. Ich dachte, er würde in Tränen ausbrechen und mit dem Fuß aufstampfen.«

»Wenigstens konntest du diesmal fahren, Rad«, sagte Frances. »Das muss es einfacher gemacht haben.«

»Wir haben uns beim Fahren abgewechselt«, gab er zu. »Ich wollte nicht die ganze Strecke fahren. Ich wollte ihn nicht entmannen.«

Mr. Radley erschien in der Tür zur Bar und war noch dabei, sein Hemd zuzuknöpfen. »Ah, bonjour«, rief er und steuerte mit offenen Armen und flatternden Manschetten auf uns zu.

»Oh Gott, das ist noch so ein Punkt«, flüsterte Rad mir und Frances zu, als Lexi auf ihren Mann zuging und Küsse ausgetauscht wurden. »Wenn wir eine Bar oder ein Café betreten, will er immer, dass ich vorgehe, damit er ein paar Minuten später hereinkommen, diese ›bonjour, bonjour‹Masche abziehen und mir auf den Rücken schlagen kann. Als ich ungefähr zwölf war, fand ich das lustig, aber jetzt ist es nur noch verdammt peinlich.«

»Hallo, Mädels«, sagte Mr. Radley. »Du siehst braun aus, Frances, und Blush, du siehst, äh, rosa aus.«

»Rad sagt, eure Fahrt war gelungen«, log Lexi aalglatt.

»Na ja, wir hatten ein oder zwei Probleme. Diese verdammte Pommesbude in Cambrai. Und wir haben es noch nicht nach Vimy geschafft - ich dachte, wir könnten morgen hinfahren ...«

Als Lexi etwas später verkündete, dass sie ins Bett gehen wollte, knallte Mr. Radley zwei Schlüssel auf die Bar. »Rad und ich haben uns ein Zimmer geteilt, aber für heute Nacht habe ich zwei Zimmer gebucht, also, wie wollen wir es machen? Die Jungs in einem, die Mädchen im anderen? Oder schläfst du heute Nacht bei mir, Lex?«

»Tja, das hängt davon ab, ob es Abigail etwas ausmacht, im selben Zimmer zu schlafen wie Rad.«

»Ach, das macht ihr nichts aus«, sagte Mr. Radley überzeugt. Die beiden sprachen oft liebevoll über mich, so als wäre ich nicht vorhanden.

»Du kannst nicht einfach davon ausgehen«, sagte Lexi. »Manche Mädchen würden es vielleicht sehr einschüchternd finden.«

»Ich würde Rad nicht als einschüchternd bezeichnen schau ihn dir an«, sagte Mr. Radley. Rad war an der Bar fast eingeschlafen, den Kopf auf den verschränkten Armen.

»Wer sagt, ich bin nicht einschüchternd?«, protestierte Rad schläfrig, ohne aufzublicken.

»Ich meinte nicht Rad«, sagte Lexi. »Ich meinte, dass manche Mädchen in Abigails Alter sich bei dem Gedanken, mit einem Jungen in einem Zimmer zu schlafen, unbehaglich fühlen könnten.«

»Tja, wieso fragt ihr sie denn nicht?«, sagte Frances leicht ungeduldig.

Mr. Radley wandte sich an mich. »Nun, Blush?«

»Wer, ich?«, sagte ich. »Ich hatte irgendwie vergessen, dass ich auch noch da bin.« Und darüber lachten alle, sogar Rad, der sich inzwischen aufgesetzt hatte. Ich war in einer Zwickmühle. Zu hastig zuzustimmen hätte Lexis Sensibilität mir gegenüber nicht gebührend gewürdigt. »Eigentlich macht es mir nichts aus«, sagte ich. Mr. Radley nahm einen Schlüssel und schob mir den anderen über den Tisch zu.

»Mir fällt auf, dass mich niemand fragt, ob es mir etwas ausmacht«, rief Rad hinter seinen Eltern her.

»Er hat die ganze Woche nur gejammert«, sagte Mr. Radley auf dem Weg nach draußen laut zu Lexi. »Ich glaube nicht, dass ich ihn nächstes Jahr wieder einlade, mitzukommen.«

Ich schlief nicht gut. Um mich nicht vor Rad ausziehen zu müssen, war ich unter dem Vorwand, eine Postkarte nach Hause zu schreiben, noch ein paar Minuten allein in der Bar geblieben - eine fadenscheinige Ausrede: Wir würden in sechsunddreißig Stunden wieder zu Hause sein. Als ich nach oben ging, schliefen die beiden anscheinend schon; ein Haarbüschel auf dem Kissen war alles, was von Rad über dem Laken zu sehen war. Frances, im Doppelbett, hatte es geschafft, sich diagonal zu legen, und ließ sich selbst durch sanfte Tritte von mir nicht wecken, deshalb musste ich mich in dem kleinen Dreieck freier Matratze zusammenrollen. Es war eine heiße Nacht, und wegen der dröhnenden Jahrmarktsmusik waren die Fenster geschlossen. Ich schob die Decken zur Seite und schwitzte ins Kissen. Frances, die nicht wachzukriegen war, hatte sich nicht gerührt - wenn überhaupt, war sie näher an mich herangerückt. Ich spürte die Hitze, die Hitze, die ihr Körper ausströmte an meinem Rücken. Um halb zwei, als der Jahrmarktslärm endlich zu Ende war, schlüpfte ich aus dem Bett, um das Fenster zu öffnen, wobei die Dielenbretter, lose wie Klaviertasten, unter meinen Füßen knarrten.

»Wer ist das?«, flüsterte eine Stimme aus dem Bett in der Ecke.

»Abigail. Ich lasse nur ein bisschen Luft rein.« Es knackte, als sich das Fenster ruckend öffnete und sich trockene Farbschichten voneinander lösten; warme, suppige Luft, die leicht nach Pommesfett und Zigarettenqualm roch, wehte durch die Fensterläden.

»Ich kann nicht schlafen«, sagte Rad.

»Ich auch nicht.«

»Das war der Lärm da draußen. Und die Hitze.«

»Jetzt sollte es besser werden.« Ich fächelte mir ein bisschen Luft zu, um mein Gesicht zu kühlen, bevor ich zurück ins Bett ging. »Jetzt sollten wir schlafen können«, sagte ich, aber der Gedanke, dass wir beide im Dunkeln wach lagen und dem Atem des anderen lauschten, erwies sich als zu großer Störfaktor, und ich blieb trotz Müdigkeit schlaflos bis in die frühen Morgenstunden.

»Ich weiß nicht, was das heutzutage mit euch jungen Mädchen ist«, sagte Mr. Radley, als wir am nächsten Morgen unsere Plätze am Frühstückstisch einnahmen. »Ist es eure Absicht, so hässlich wie möglich auszusehen? Oder soll die Schäbigkeit der Kleidung einen Kontrast zu eurer Schönheit bilden?«

Zu der Zeit folgten Frances und ich einer Mode, deren Parole »schlampig« war. Sie trug ein schwarzes T-Shirt, das ihr mehrere Nummern zu groß war, über einem nicht sehr sauberen Jerseyrock, der ihr bis zu den Knöcheln reichte und sich an Gesäß und Knien ausbeulte, wenn sie sich setzte. Ich hatte eine lange, formlose Jeans-Tunika an, die durch wiederholtes Waschen fast weiß war, und ein grünes T-Shirt, das ich schwarz zu färben versucht hatte, das jedoch fleckig und seetangfarben geworden war. Flache Schuhe und ein nachlässiger Gang waren die notwendigen Accessoires dazu.

»Dir kommt nicht in den Sinn, dass du nicht die Art Mann bist, auf die sie anziehend wirken wollen?«, gab Lexi zu bedenken.

»Für mich sehen sie okay aus«, sagte Rad.

»Vielleicht haben wir einfach wichtigere Sorgen als unser Aussehen«, sagte Frances indigniert.

»Zum Beispiel?«, sagte Mr. Radley.

Auf Frances‘ Stirn erschienen vor Konzentration tiefe Furchen, während sie vergeblich nach einer Antwort suchte.

»Ich weiß nicht«, seufzte Mr. Radley. »Irgendwie scheint es eine solche Verschwendung zu sein. Es dauert nicht mehr lange, bis ihr furchtbare, vierzigjährige, alte Hexen seid, und es total egal ist, was ihr anhabt.«

»Danke«, sagte Lexi.

Nach dem Frühstück nahm mich Mr. Radley beiseite, als ich auf dem Treppenabsatz auf Frances wartete, die ihren Fotoapparat aus unserem Zimmer holen wollte. An seinem Kinn hing ein Croissantkrümel, den ich am liebsten weggewischt hätte, und vorne auf seinem Hemd waren noch mehr Krümel. Er war der nachlässigste Esser, den ich je gesehen hatte: Der Abfall eines einzigen Stücks Baguette konnte bis zu allen vier Ecken des Tisches reichen.

»Ich nehme an, ihr Mädels habt euer ganzes Geld für Krimskrams ausgegeben, was?«, sagte er.

Ich schüttelte den Kopf - abgesehen von meinem holländischen Louvrekatalog hatte ich mir nur ein T-Shirt mit dem zweideutigen Aufdruck NICE gekauft. (Ich sollte es nur ein einziges Mal tragen, bis es von Mutter für billig und scheußlich erklärt und in eine untere Schublade verbannt wurde.) Lexi hatte alle finanziellen Beiträge für Essen und Benzin abgelehnt, sodass mein Bündel Geldscheine noch weitgehend unversehrt war.

»Oh. tja, in dem Fall könntest du mir vielleicht hundert Francs leihen? Ja? Oh, das ist großartig. Ich habe kein Geld mehr, und es lohnt sich nicht, für einen Tag noch einen Scheck einzulösen. Ach, gib mir lieber zweihundert.«

Wie versprochen verbrachten wir den Vormittag auf der Kreidekuppe von Vimy. Wir hatten beschlossen, uns alle in ein Auto zu quetschen. Lexi, Frances und ich saßen auf dem Rücksitz; Rad fuhr. Alle paar Meilen zeigte Mr. Radley uns einen neuen Friedhof am Straßenrand - Reihen um Reihen identischer Grabsteine wie weiße Zähne, die aus dem Rasen wuchsen.

»Schau nur, Blush«, sagte Mr. Radley und drehte sich um, damit er mein Gesicht besser sehen konnte. »Tausende davon, nur Namen auf Steinen. Und doch war jeder Einzelne von ihnen einst ein lebendiges, atmendes menschliches Wesen - genauso wie Rad hier - und die meisten davon Freiwillige, frisch von der Schulbank, die alles noch vor sich hatten, die Klügsten und Besten ihrer Generation.« Als einziger Neuling wurde ich dazu auserwählt, in den Genuss von Mr. Radleys weisen Ansichten zu kommen. Meine Unwissenheit in Bezug auf den Ersten Weltkrieg entsetzte ihn. Ich bekam gerade noch die Daten zusammen; Erzherzog Ferdinand, Haig, Sir John French, Kaiser Wilhelm waren nur Namen. Es hätten auch Rennpferde sein können.

»Du weißt nicht, wann die Schlacht an der Somme war? Großer Gott im Himmel, was bringen sie euch an dieser Schule überhaupt bei? Ich nehme an, da ich mit Frances zusammenlebe, sollte ich an Unwissenheit auf diesem Niveau gewöhnt sein, aber von dir habe ich ehrlich mehr erwartet, Abigail.« Ich war daran gewöhnt, auf diese Art von Mr. Radley eingeschüchtert zu werden. Jeder, dem es nicht gelungen war, genau denselben Wissensschatz anzusammeln wie er selbst, war Zielscheibe für Mitleid und Spott: Etwas weniger zu wissen war ein Beweis für Idiotie; mehr zu wissen war sinnlos, nutzlos, wissenschaftlich.

»Wenn es ihnen nie beigebracht wurde, wie können sie es dann wissen?«, sagte Lexi vernünftig.

»Ich weiß, ich weiß, es ist ihre Ausbildung. Wenn das nicht ein zu starkes Wort dafür ist. Hast du Goodbye to All That gelesen? Nein, natürlich nicht. Es ist ein großartiges Buch. Ich lese es jedes Jahr wieder. Ich borge dir mein Exemplar.«

Ich entschuldigte mich für meine Dummheit und sagte, ich würde Goodbye to All That bestimmt lesen. »Aber ich borge es mir nicht aus. Ich kaufe es mir. Wenn ich mir schon die Mühe mache, ein Buch zu lesen, möchte ich es auch gern behalten.« Ich konnte mir gut vorstellen, in welchem Zustand Mr. Radleys Exemplar war. Erst an diesem Morgen beim Frühstück hatte er Lexis neue gebundene Biografie von Jackie Onassis aus ihrer Tasche geholt, und als er feststellte, dass ein paar der hinteren Seiten noch nicht aufgeschnitten waren, hatte er sein buttriges Messer genommen und versucht, sie zu trennen.

»Schenk Dads Version vom Krieg lieber nicht zu viel Beachtung«, sagte Rad und sah mich im Rückspiegel an. »Er romantisiert gern. Er glaubt, jeder, der an der Front gestorben ist, war ein Poet.«

»Es war auch ein romantischer Krieg. Es ging um Unschuld und Opferbereitschaft - Konzepte, die eure herzlose Generation sowieso nicht versteht. Oder könnt ihr euch etwa vorstellen, dass heutzutage irgendein Achtzehnjähriger losstürzt, um Soldat zu werden?«

»Na, das ist doch ein Fortschritt, oder?«, sagte Rad.

»Schaut, dort ist Vimy«, sagte Mr. Radley, froh, um einen Streit herumgekommen zu sein, bei dem die Gefahr bestand, dass er sich geschlagen geben musste. In der Ferne hob sich auf einer Lichtung ein Denkmal vom Himmel ab wie eine große weiße Stimmgabel.

Die Sonne kam gerade hinter der einzigen Wolke am Himmel hervor, als Rad auf den Parkplatz fuhr. Hinter Stacheldrahtzäunen sah ich flache, sich schlängelnde Schützengräben, inzwischen verwittert und von kurz geschnittenem Gras überwachsen. Schlanke Tannen streiften den Himmel. Entree interdite: munitions non éclatées, stand auf den Schildern.

»Sie finden sogar jetzt noch Granaten, die noch nicht detoniert sind«, sagte Mr. Radley. »Das passiert hier überall - jedes Jahr hört man, dass irgendein armes Kind im Wald herumgelaufen ist und sich in die Luft gesprengt hat.« Er ernannte sich selbst zu meinem persönlichen Reiseführer und führte mich hinab in die kanadischen Schützengräben, die von Betonsandsäcken und Lattenrosten geschützt wurden, und zwang mich, mich an einen der Geschütztürme zu stellen und durch das Loch im rostigen Metall auf die gigantischen Krater zu sehen, die uns von der deutschen Front in nicht einmal vierzig Metern Entfernung trennten.

»Warum haben sie die Schützengräben so zickzackförmig angelegt?«, fragte ich.

»Damit die Deutschen nicht den ganzen Schützengraben entlang feuern konnten, wenn er eingenommen wurde. Natürlich wurde es dadurch auch ziemlich schwierig, Bahren zu tragen.«

Es schien unmöglich zu sein, dass wir am Schauplatz eines solchen Gemetzels standen. Die Sonne war warm; eine sanfte Brise bewegte die Blätter; die Schützengräben, sauber, trocken und leer, wirkten fast behaglich; eine goldene Wolke Stechmücken schimmerte über unseren Köpfen; zwei kleine Jungen kullerten die steilen Seiten des größten Kraters herunter und kreischten vor Vergnügen.

»Es kann kaum noch jemand am Leben sein, der sich an all das erinnert«, sagte Mr. Radley und presste sich an den Schützengraben, um nicht von kichernden, keuchenden Kindern überrannt zu werden. »Und wenn meine Generation tot ist, gibt es keinen mehr, dem es etwas bedeutet.«

»Mich wird es noch geben«, sagte Rad, der uns eingeholt hatte. »Mir bedeutet es was. Ich bin nur nicht krankhaft sentimental wie du.« Inzwischen hatte ich mich vollkommen an die feindselige Art gewöhnt, in der Mr. Radley oft von Frau und Kindern angesprochen wurde, und es überraschte mich nicht mehr. Aber das würde ich nicht zu Hause ausprobieren.

Frances und ich waren schon zum Denkmal vorausgegangen. Frances gurrte und schnippte mit den Fingern, als sie eine Gruppe magerer Schafe sah, die die Grashügel auf der Kuppe abweideten. Eins hörte einen Augenblick auf zu kauen und fixierte uns mit leerem Blick, als wir näher kamen.

»Ah, Schafe!«, rief Mr. Radley herzlich. »Symbole der Unschuld.«

»Und der Dummheit«, sagte Rad.

Auf der Kuppe war der Wind stärker, riss an den französischen und kanadischen Flaggen, die am Zugang zum Monument standen, und schlug mir die Haare in die tränenden Augen.

»Hier sieht man, wieso dies ein so wichtiger strategischer Punkt war«, sagte Mr. Radley gestikulierend. Vor uns erstreckte sich die Ebene, winzige Häuserreihen, die durch vulkanisch aussehende Schlackenhalden klein erschienen. Weiße Rauchwolken stiegen aus Schornsteinen so dünn wie Bleistifte.

»Hat aus unserer Familie jemand im Krieg gekämpft?«, fragte Frances, die die Namen der Toten, die um den Sockel des Denkmals herum eingemeißelt waren, inspiziert hatte.

»Nein, meine Liebe, du kommst aus einer langen Linie von Feiglingen«, sagte Mr. Radley und tätschelte ihre Schulter.

»Ich kann nicht glauben, dass so viele Menschen gestorben sind«, sagte ich und zeigte auf die Liste der Namen, die Frances nach gefallenen Radleys absuchte.

»Das ist noch gar nichts«, sagte Rad. »Du solltest erst das Menentor sehen. Vimy vermittelt dir keinen richtigen Eindruck davon, wie es gewesen sein könnte - es ist alles hergerichtet worden. Es sieht mehr einem Golfplatz als einem Schlachtfeld ähnlich. Wenn du ein paar echte Schützengräben sehen willst, solltest du zu Hügel zweiundsechzig gehen. Da gibt es auch ein fantastisches altes Museum.«

»Ist das hier in der Nähe?«, fragte ich.

»Es ist in Belgien. Ypern. Möchtest du es sehen? Wir könnten es an einem Nachmittag über die Autobahn hin und zurück schaffen.« Bei der Aussicht schien er plötzlich aufgeregt zu sein.

»Tja, ich will nicht stundenlang im Auto sitzen, nur um einen weiteren Haufen Gräber zu sehen und so«, sagte Frances.

»Ich wette, Abigail musste sich schon die ganzen Ferien über nach dir richten«, sagte Rad. Bevor ich sagen konnte, dass es mir so oder so recht wäre, trieb Rad uns zurück zum Parkplatz und arrangierte alles: Er würde Frances und Lexi in Arras absetzen, die beiden Männer und ich würden nach Ypern fahren. Dass sie in dieser Woche schon einmal dort gewesen waren, schien sie nicht abzuschrecken. Später würde ich mich an diese Begebenheit erinnern als das erste Mal, dass Rad mehr Rücksicht auf mich genommen hatte, als die reine Höflichkeit gebot.

Ungefähr zehn Meilen vor Ypern beugte sich Mr. Radley, der fuhr, plötzlich vor und fing an, im Handschuhfach herumzuwühlen, wobei er eine Lawine aus Bonbonpapieren auslöste. »Gott, werft ihr Mädels denn nie was in den Mülleimer?«, wollte er wissen, während das Auto zum Mittelstreifen ausscherte. Rad griff nach dem Steuer. »Das ist gut, lenk du eine Minute.« Endlich fand er, was er suchte - eine Kassette, die er mit einer Hand aus ihrer Hülle schnipste, während er mit der anderen wieder das Steuer ergriff. »Ich dachte, wir sollten passende Musik dazu hören - Ich habe Bill gebeten, mir das auf seiner raffinierten Maschine aufzunehmen. Kennst du Brittens War Requiem? Nein, natürlich nicht.« Er schob die Kassette in den Rekorder und drehte die Lautstärke hoch. Nach ein paar Minuten mörderischen Lärms wagte es Rad, die Lautstärke etwas zu reduzieren.

»Was ist los?«, fragte Mr. Radley. »Gefällt es euch nicht?«

»Nein«, sagte Rad.

»Es klingt ein bisschen langsam, wie ein Klagegesang«, sagte ich.

»Ja, natürlich tut es das, es ist ein verdammtes Requiem. Da kann man nicht den Ententanz erwarten. Ihr seid wirklich zwei Kulturbanausen. Ich gebe zu, Britten ist gewöhnungsbedürftig«, fuhr er fort. »Man muss sich erst einhören.«

Wir ertrugen das Dröhnen ohne jeden weiteren Kommentar, bis der Auftritt des Tenors, der »Anthem for Doomed Youth« sang, es sogar für Mr. Radley offensichtlich machte, dass Bills raffinierte Maschine nur mit der halben Geschwindigkeit aufgenommen hatte. Er betätigte abrupt die Eject-Taste. »Hmm, mit der Kassette scheint was nicht in Ordnung zu sein«, murmelte er und steckte sie ein. »Ich fand schon die ganze Zeit, dass es komisch klingt.«

Wir machten nur einen kurzen Rundgang durch Ypern. In der Kathedrale hatten ein paar ältere Nonnen Probleme damit, eine neue Lautsprecheranlage aufzubauen. Ein Stück Kabel hatte sich am Vorsprung einer Säule verfangen, und sie konnten zupfen, so viel sie wollten, sie bekamen es nicht wieder los. Ich sah, wie sie zweifelnd ihre Leiter beäugten. Sie lehnte unsicher an der Säule und wackelte, wenn man sie versuchsweise anstupste. Ich hatte plötzlich das Bild vor Augen, wie eine der Nonnen oben auf der Leiter thronte wie ein Pirat in einem Krähennest, und stieß Rad an, um ihn darauf aufmerksam zu machen. »Schau«, sagte ich und deutete auf sie. Er muss mich missverstanden haben, denn er sagte: »Oh« und eilte sofort hin, um ihnen zu helfen. Einen Augenblick später kletterte er die Leiter hoch, während die zwei Nonnen sie unten fest hielten und ängstlich hinaufblickten. Ich kam mir durch diesen Zwischenfall ziemlich klein vor, obwohl ich nicht genau wusste, wieso.

Auf dem Weg nach draußen blieb ich unter der marmorweißen Christusfigur mit dem goldenen Heiligenschein aus Dornen stehen und zündete eine Kerze an.

»Ich wusste gar nicht, dass du religiös bist«, sagte Rad, als ich die Kerze auf einem der wenigen freien großen Nägel auf dem Ständer aufspießte, der mit geschmolzenem Wachs bespritzt war wie mit Vogelmist.

»Nun, ich glaube an die Kreuzigung«, sagte ich.

Rad sah nachdenklich aus. »Ja, genau das würde passieren.«

»Du bist Atheist, stimmt‘s?«, sagte ich, eine kühne Äußerung angesichts dieser Umgebung.

»Nein, das würde ich nicht sagen«, antwortete er und hielt mir die Tür auf. »Ich bin nur ein ›netter Mensch‹. Nicht praktizierend.«

Als wir durch das Menentor fuhren, verlangsamte Mr. Radley das Tempo und deutete auf die Namen, die auf jede Fläche gemeißelt waren. »Sieh sie dir alle an, Blush. Und das sind nur die, deren Leichen nicht gefunden wurden.«

»Wieso wurden sie nicht gefunden? Wie konnten so viele Menschen verschwinden?«, fragte ich verwirrt.

»Tja, wenn man zum Beispiel von einer Granate getroffen wurde, waren die ... äh ... Stücke vielleicht nicht mehr sehr groß«, sagte er.

Es stellte sich heraus, dass das Museum bei Hügel zweiundsechzig aus ein paar feuchten und zugigen Räumen hinter einer Bar bestand. Glasvitrinen mit deutschen Helmen, Gewehren, Schwertern, Abzeichen und Taschenuhren, nichts davon beschriftet, standen an einer Wand. Auf dem Boden waren rostige Granatenhülsen, Feldstecher, Stacheldrahtstücke, Flaschen und eine Sammlung einzelner Stiefel angehäuft, verbeult, verrottet und noch immer schlammverkrustet. Eine Schneiderpuppe mit dem Kopf einer Schaufensterpuppe stand mitten im Raum, bekleidet mit einem grünen Mantel, einer Gasmaske und einem angeschlagenen Helm. Auf einem Tapeziertisch war eine Sammlung hölzerner Gerätschaften mit Sepiadias arrangiert. Rad setzte sich sofort vor einen der Kästen und kurbelte am Griff. Er winkte mich heran, und ich setzte mich auf seinen Platz, schaute durch die Linse und sah zu, wie die Bilder scharf wurden und dann dreidimensional. Ich sah eine Gruppe Soldaten, die sich an die Seite eines Schützengrabens lehnten, Blechbecher in der Hand hielten und mich mit ernsten Gesichtern und glasigen, geschwollenen Augen ansahen; eine teilweise verweste Leiche saß in einem Unterstand, als würde sie sich ausruhen. Auf dem nächsten Bild hing ein totes Pferd in einem Baum.

Rad war ins Hinterzimmer geschlendert, das noch mehr nicht klassifizierte Militaria enthielt: Gewehre, Granatenhülsen und noch mehr einzelne Stiefel. Im Durchgang zwischen den beiden Zimmern stand - ausgerechnet - ein Kaugummiautomat aus Plastik. Mr. Radley tauchte in meiner Nähe auf, wartete, bis Rad außer Hörweite war, und sagte dann: »Ich kann genauso gut in der Bar auf euch warten. Keine Eile - lasst euch nur Zeit.«

Im Wald draußen war ein Gebiet mit Original-Schützengräben. Sie sahen insgesamt weniger behaglich aus als die Rekonstruktionen aus Gras und Beton in Vimy. Hier war der Boden aus Lehm und selbst an einem warmen Sommertag klebrig und nass. Rostiges Wellblech lehnte an den Wänden, und in der Luft hing der Geruch feuchter Erde und verrottender Vegetation. Rad lief am Schützengraben entlang und kaute konzentriert an seinen Fingernägeln. Er und Frances waren unverbesserliche Nägelkauer; Frances kaute sie manchmal so weit ab, dass sie bluteten, und dann erschien sie mit Pflastern auf jedem Stummel in der Schule wie das Opfer von Erfrierungen.

Vor mir stand ein Kreis aus riesigen kaffeefarbenen Pilzen mit einer Haut wie Wildleder. Ich kniete mich hin, um einen anzufassen, und als ich über die Oberfläche strich, explodierte eine kleine Wolke Sporen aus den Lamellen.

»Abigail«, sagte eine Stimme eindringlich, und als ich rasch aufblickte, hörte ich ein Klicken, und Rad senkte lächelnd seinen Fotoapparat. »Danke«, sagte er.

»Aber ich hatte den Mund offen«, protestierte ich, trotzdem geschmeichelt und erfreut.

»Ah, aber du hast so natürlich ausgesehen. Und das Licht fiel so schön auf diese Schirmpilze.«

»Na, dann bin ich ja froh, dass die Pilze sich von ihrer besten Seite gezeigt haben«, sagte ich, stand auf und wischte den Schmutz vom Saum meines Kleides.

Rad spulte den Film zurück und zog die Rolle aus der Kamera. »Es war die letzte Aufnahme«, sagte er. »Es wird wahrscheinlich sowieso nichts.«

Also hatte er nur ein Foto gemacht, um den Film zum Entwickeln geben zu können; nicht als Andenken, das er mit nach Durham nehmen würde, um sich vor Kummer darüber zu verzehren. Tja, das würde mir eine Lehre sein. »Freust du dich auf die Universität?«, fragte ich und köpfte gedankenlos mit der Schuhspitze einen Pilz.

»Ja und nein. Der Studiengang scheint gut zu sein, und das Studentenwohnheim ist eine Art Schloss, aber den Gedanken an die Einführungswoche und daran, dass ich gesellig sein muss, finde ich ein bisschen einschüchternd.« Er machte eine Pause. »Und zu Hause werde ich ein paar Dinge vermissen. Ich meine Leute, nicht Dinge. Ich wünschte, ich hätte mich für London entschieden, wie Nicky. Aber ich nehme an, es ist gut, wenn ich mal von Mum und Dad wegkomme. Besonders von Dad.« Er sah sich besorgt um. »Apropos - wo ist Dad?« Ich deutete auf die Bar und war überrascht, als ich sah, dass sein Gesicht lang wurde. »Oh Gott. Wie lang ist er da schon drin?«, fragte er.

»Seit wir angekommen sind«, sagte ich. Durch den Eingang sah ich Mr. Radley mit drei leeren Bierflaschen vor sich in einer Haltung tiefer Zufriedenheit an einem der entlegensten Tische sitzen. Er fing meinen Blick auf und winkte uns heran.

»Ach, Scheiße«, hörte ich Rad halblaut sagen. Er sah wütend aus.

»Was ist los?«, fragte ich, aber er schüttelte nur den Kopf.

»Hallo, seid ihr fertig? Trinkt was - ich bezahle«, sagte Mr. Radley und wedelte mit einem Zweihundertfrancschein.

»Ich nehme nur einen Kaffee, da ich ja zurückfahren werde«, sagte Rad giftig.

»Oh ja, gute Idee. Das bedeutet, ich kann noch ein Bier trinken. Dieses belgische Zeug ist wunderbar«, sagte sein Vater und rief den Kellner.

Als die Rechnung kam und Mr. Radley bezahlte, waren nur noch ein paar Francs übrig, die er auf dem Tisch liegen ließ. »Schrecklicher Wechselkurs«, sagte er, als er Rads Gesicht sah. »Man wird ganz schön über den Tisch gezogen.«

»In deinem Fall über die Theke«, sagte Rad und stolzierte hinaus zum Auto.

Mr. Radley lächelte mich verlegen an. »Ich glaube, ich mache mich auf der Heimfahrt auf dem Rücksitz lang, wenn ihr nichts dagegen habt. Das grelle Sonnenlicht macht mich ganz schläfrig.«

Also saßen Rad und ich vorne. Er fuhr und ich las die Karte und war schuld, dass wir uns bei einer Umleitung in der Nähe von Armentieres verfuhren, und Rad wurde ungeduldig - genau wie ein richtiges Ehepaar. Schließlich, als ein leises Schnarchen vom Rücksitz darauf hindeutete, dass Mr. Radley eingeschlafen war, sagte Rad: »Entschuldige, dass ich eben ärgerlich geworden bin. Es lag nicht an dir. Ich koche nur vor Wut wegen Dad. Ich habe Mum versprochen, dass ich ihn nichts trinken lassen würde, aber sobald ich ihm den Rücken zuwende ...«

Mein Gott, dachte ich. Das ist es also. Er ist Alkoholiker.

»Er ist kein Alkoholiker«, sagte Rad, und ich wurde rot, weil ich so leicht zu durchschauen war. »Er trinkt nicht oft, aber wenn er einmal anfängt, macht er immer weiter, bis ...« Er verstummte. »Mum wird wütend sein. Außerdem weiß ich nicht mal, woher er das Geld hatte. Ich habe mich um die Finanzen gekümmert.« Wieder errötete ich und sah auf meine Knie.

»Er hat es sich von mir geborgt«, beichtete ich. »Ich wusste nicht ...«

»Oh, er ist so ein heimtückischer kleiner Mistkerl«, sagte Rad etwas zu laut, denn die Gestalt auf dem Rücksitz grunzte und bewegte sich im Schlaf. »Hier«, fuhr er leiser fort, holte behutsam seine Brieftasche aus seiner Jeanstasche und warf sie mir zu. »Nimm es dir bitte da raus. Er wird nicht dran denken, es dir zurückzugeben, und ich weiß, du wärest zu höflich, ihn daran zu erinnern.«

Kurz hinter Bethune wachte Mr. Radley auf, sehr ausgeruht und rundum zufrieden mit unserem Nachmittagsausflug. Doch als er wach war, stellte er fest, dass es ihm nicht gefiel, hinten zu sitzen, weil er sich ausgeschlossen fühlte, und bestand darauf, sich so weit wie möglich nach vorne zu lehnen, die Arme um unsere Sitze gelegt und den Kopf zwischen uns gezwängt.

»Habe ich irgendwas verpasst, während ich geschlafen habe?«, fragte er. »Worüber habt ihr gesprochen?«

»Über dich«, sagte Rad.

Mr. Radley schenkte mir ein bierseliges Lächeln. »Du darfst Rad nicht allzu ernst nehmen«, sagte er in vertraulichem Ton. »Er ist gut in abstrakten Dingen wie Trigonometrie, aber wenn es um zartere Gefühle geht, hat er ein paar Defizite.«

»Du trauriger alter Mann«, sagte Rad milde.

Lexi und Frances waren schon fürs Dinner angezogen, geschminkt und parfümiert, und saßen in der Bar, als wir zum Hotel kamen. Frances schrieb Tagebuch und Lexi las ihre gebutterte Biografie über Jackie Onassis. Sie hatten Schuhe kaufen wollen, waren jedoch enttäuscht zurückgekehrt. Entschlossen, nicht mit leeren Händen zurückzukommen, hatte Lexi Rad ein Hemd gekauft.

»Du musst mir nichts zum Anziehen kaufen, Mum. Ich habe genug«, sagte er und betrachtete bestürzt die Neuanschaffung. Sie war orange.

»Ja, aber sieh dir an, in welchem Zustand deine Kleider sind«, sagte sie und deutete auf sein verwaschenes graues T-Shirt, von dem man wirklich nicht mehr sagen konnte, welche Farbe es ursprünglich gehabt hatte.

»Daran ist nichts auszusetzen. Ich kann Sachen nicht einfach wegschmeißen, weil sie alt sind.«

»Versuch nicht, aus deiner Schlampigkeit auch noch eine Tugend zu machen«, sagte sein Vater. »Dein Mangel an Eitelkeit ist an sich schon eine Form von Eitelkeit. Uns machst du nichts vor.«

Während ich mich zum Dinner umzog, klopfte es an der Tür, und Mr. Radley kam herein. »Verzeihung«, sagte er und legte eine Hand über die Augen, während ich nach einem Handtuch tauchte. »Hier ist das Buch, das ich dir versprochen habe«, und er schmiss eine alte Penguin-Ausgabe von Goodbye to All That aufs Bett. Eine genauere Inspektion bestätigte meine Bedenken - es wurde von einem Gummiband zusammengehalten, und als ich es abnahm, fiel das ganze Ding wie ein Kartenspiel auseinander.

Die Atmosphäre beim Dinner war angespannt. Lexi warf ihrem Mann einen überraschten Blick zu, als er den Weinkellner heranwinkte, zog dann die Augenbrauen hoch und sah Rad an, der mit den Schultern zuckte. Frances brach das Schweigen, als zwei Flaschen Rotwein an den Tisch gebracht wurden, die der Kellner flott entkorkte, als würde er Hühnern den Hals umdrehen.

»Für wen sind die?«, wollte sie wissen und starrte ihren Vater wütend an.

»Letzter Ferientag. Ich dachte, wir sollten feiern«, sagte er und schenkte Wein in Lexis Glas, bevor er die Flasche wie ein geladenes Gewehr auf mich richtete. Ich schwankte. Rad und Frances hielten beide ihre Handflächen über die Gläser. »Schenk den beiden Spielverderbern keine Beachtung«, sagte er. Nach dem, was Rad mir erzählt hatte, wollte ich Mr. Radley nicht auch noch ermutigen, doch dann folgerte ich, wenn ich Ja sagen würde, wäre weniger für ihn übrig. Also ließ ich ihn mir ein Glas einschenken, beschloss jedoch, es nicht zu trinken.

Lexi hatte die Speisekarte in der Hand und überlegte. Während des Urlaubs war mir aufgefallen, dass sie unfähig war, eine Mahlzeit zu bestellen, ohne den Kellner regelrecht zu verhören, wie sie voraussichtlich beschaffen sein würde. »Ist da eine Soße dabei? Ist es eine einfache Pastete? Ist es sehr schwer/süß/salzig?« Ebenso wurde kaum ein Gericht bestellt, das nicht für irgendeine Verbesserung zurück in die Küche geschickt wurde: Es war zu wenig gebraten oder verkocht; zu kalt oder nicht kalt genug. Es lag nicht daran, dass Lexi penibel war: Es war nur eine Demonstration ihres Selbstvertrauens - eine Weigerung, zu nachgiebig, entgegenkommend und britisch zu sein. Meine Erziehung hatte mich gelehrt, dieses Benehmen als unhöflich anzusehen; meine Eltern würgten lieber rohe Leber hinunter, als zu solch extremen Maßnahmen zu greifen. Endlich stand ihr Entschluss fest. Sie hatte sich für das billigste Menü entschieden, vielleicht um ihren Mann zu tadeln, der sich nicht nur das menu gastronomique ausgesucht, sondern auch nur die Gerichte ausgewählt hatte, die mit Beilagen serviert wurden.

Mr. Radley war immer dafür, sich mit anderen das Essen zu teilen, und pflegte sich schamlos hinüberzubeugen, interessante Happen von fremden Tellern aufzuspießen und uns als Gegenleistung dazu zu zwingen, von seinem eigenen Gericht zu probieren.

»Lass das«, sagte Frances gereizt und schnippte klappernd eine Schnecke zurück auf seinen Teller. »In diesem Urlaub hat Lawrence schon einmal versucht, mir diese ekelhaften Dinger aufzudrängen.« Es war einen Augenblick lang still.

»Ach, ist er wieder aufgetaucht?«, sagte Mr. Radley. Er lachte nachsichtig. »Der treue, alte Lawrence.« Ein oder zwei Minuten lang war nichts zu hören als das Geräusch von Besteck auf Porzellan. Oha, dachte ich. Spannungen. Schließlich brach Mr. Radley das Schweigen.

»Und wie hat dir Paris gefallen, Blush? Dein erstes Mal, nicht?« Und bevor ich die Chance hatte zu antworten, hatte er schon angefangen zu erzählen, wie es ihm gefiel. »Es ist eine wunderbare Stadt. Nur Rom ist noch schöner, meiner Meinung nach. Eines Tages zeige ich dir Rom«, versprach er. »Wie alt bist du?«

»Fünfzehn.«

»Es hat fünfzehn Jahre gedauert, bis du nach Paris gekommen bist. Sagen wir, es dauert noch mal fünfzehn, um nach Rom zu kommen.« Er sah auf die Uhr. »Wir treffen uns am 23. August 1996 um acht Uhr auf der Spanischen Treppe, unter Keats‘ Fenster.«

Das erschien mir unwahrscheinlich. »In Ordnung«, sagte ich.

»Sie glaubt mir nicht!«, rief er aus.

»Tja, sie ist ja nicht blöd«, sagte Lexi.

Da Mr. Radley mehr Gänge hatte als wir anderen, mussten wir dasitzen und ihm dabei zusehen, wie er seine moules in Angriff nahm, was er geräuschvoll und voller Enthusiasmus tat, als hätte er am liebsten alles in sich hineingestopft, mit Schalen und allem.

Frances fing an, Rad die Regeln eines Spiels namens »Zehn Fragen« zu erklären, das wir auf der Hinfahrt erfunden hatten, gegen das er ständig Einwände erhob, während Mr. Radley den Boden seiner Schüssel mit einem Stück Baguette auswischte. Er verteilte dabei so viele Krümel, dass der Kellner mit seinem Tischkehrgerät der Aufgabe, wieder Ordnung zu schaffen, nicht gewachsen war und sich geschlagen zurückziehen musste. Mr. Radley dankte ihm überschwänglich für seine Bemühungen. Er katzbuckelte immer vor Kellnern, vielleicht in der Hoffnung auf größere Portionen oder bessere Behandlung. Lexi dagegen behandelte Personal aller Art, als wäre es unsichtbar - es sei denn, sie beschwerte sich über etwas, dann wurde sie umwerfend höflich.

»Du musst dir also zehn Fragen ausdenken, die dir bei der Entscheidung helfen würden, wen du heiraten sollst«, sagte Frances gerade. »Meine erste wäre: ›Mögen Sie Hunde?‹ Blushs war: ›Wer ist der größte Komponist?‹ und deine wäre vielleicht so was wie: ›Wer ist der größte Philosoph?^

»Aber ich will gar nicht heiraten«, protestierte Rad.

»Nein«, sagte Frances geduldig. »Du musst dir nur Fragen vorstellen, die dir dabei helfen würden, deinen Idealpartner zu finden.«

»Ich glaube nicht an das Konzept eines Idealpartners. Das ist nur ein romantischer Mythos.«

»Es ist bloß ein Spiel, Rad«, sagte Frances. »Kannst du nicht einfach mitspielen?«

»Du meinst, meine Intelligenz ausschalten?«, fragte Rad.

Mr. Radley verschluckte sich an seinem Wein. »So aufgeblasen?«, prustete er und wischte sich die Augen. »Glaubst du, das ist ein Charakterzug der Radleys, oder kommt das von deiner Seite?«, fragte er Lexi. »Egal«, fuhr er fort und drohte Rad mit dem Finger. »Ich sehe keinen Grund, wieso du die Ehe so negativ siehst, mit uns als Beispiel vor Augen.« Er legte den Arm um Lexis Schultern und drückte sie kumpelhaft, worauf sie ihn gereizt abschüttelte.

»Wenn Nicky nicht bald Notiz von mir nimmt«, sagte Frances, die nicht bemerkte, wie sich die Atmosphäre am Tisch verschlechterte, »gebe ich es auf und heirate des Geldes wegen.«

»Du könntest es schlechter treffen«, sagte Lexi. »Immerhin bemerkt eins von drei Paaren, die aus Liebe heiraten, seinen Fehler irgendwann.«

»Du machst es ihm zu leicht, Frances«, sagte ihr Vater. »Jeder mag Schokolade, aber man will nicht mit ganzen Schachteln von dem Zeug voll gestopft werden.«

»Ich schon«, sagte Frances. »Ich träume manchmal davon.«

»Das ist ein weiterer Punkt - du isst zu viel Schokolade. Nicky mag vielleicht lieber dünne Mädchen wie Blush, hast du schon mal daran gedacht?«

Frances und ich waren jeweils entrüstet und beschämt. Lexi, Verfechterin der weiblichen Formen in all ihrer Vielfalt, legte los: »Eine solche Bemerkung ist äußerst ungehörig«, sagte sie, als würde sie einen frechen Schuljungen rüffeln.

»Ich wollte niemanden beleidigen«, sagte Mr. Radley gekränkt. »Viele Männer mögen Mädchen mit ein bisschen Fleisch dran. Ich habe nur gesagt, dass es bei Nicky vielleicht nicht so ist.«

Die Mahlzeit wurde in unbehaglichem Schweigen fortgesetzt, gelegentlich unterbrochen von einer unbekümmerten Bemerkung Mr. Radleys. Seine Versuche, die Konversation wieder aufzunehmen, stießen bei den anderen am Tisch auf tödliche Stille. Ich hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte mich aufs Essen, soweit mein verringerter Appetit es zuließ: Meine Eltern taten so etwas nicht. Höflichkeit war alles für sie.

Als der Dessertwagen anrollte, suchte Frances sich den gehaltvollsten, cremigsten Pudding aus, eine Geste, deren Aufsässigkeit leicht übersehen werden konnte. Lexi und ich schlossen uns ohne Rücksicht auf unsere Figur an. Mr. Radley schmachtete über seinem zusätzlichen Gang Käse. Er trank die zweite Weinflasche bis zum letzten Tropfen aus und dann, als er mein immer noch volles Glas sah, nahm er es und sagte: »Du trinkst das doch nicht mehr, oder?«, und kippte es in seins.

»Ich glaube, wir sollten früh zu Bett gehen, denn wir haben morgen eine weite Fahrt vor uns«, sagte Lexi bestimmt, als die letzten Teller abgeräumt wurden und um Mr. Radleys Teller herum ein Muster aus Krümeln zum Vorschein kam.

»Gute Idee«, sagte er. »Geh du schon mal hoch. Ich glaube, ich nehme noch schnell ein Digestif in einer dieser Bars am Platz.« Lexis Wut ignorierend schlenderte er fröhlich summend hinaus in die Dunkelheit.

Um Mitternacht wachte ich von einem Klopfen an der Tür auf. Sie öffnete sich einen Spalt, warf einen Lichtstreifen auf mein Gesicht, und Lexis Stimme flüsterte: »Rad, kannst du mal kommen? Ich brauche Hilfe.« Ich wartete, bis er sich hinausgeschlichen hatte, und ging ihm heimlich nach. Am Ende des Korridors versuchten er und Lexi die Klotür weit genug aufzudrücken, damit Rad sich durch den Spalt quetschen konnte. Mr. Radley war vom Sitz gefallen und eingeschlafen oder bewusstlos, eingeklemmt zwischen Sockel und Tür. Nach ein paar Minuten tauchte Rad wieder auf. Halb stützte er seinen Vater, halb zog er ihn. Als sie vorbeikamen, wich ich zurück und entdeckte Frances dicht hinter mir. »Geh wieder ins Bett«, sagte sie kalt. »Sie brauchen dich nicht.« Und mir wurde klar, dass das, was ich an dem Abend miterlebt hatte, kein einmaliger Vorfall war, sondern schon früher passiert war, vielleicht sogar ebenso zum Familienritual gehörte wie der Besuch bei den Schützengräben.

Bei meiner Rückkehr wurde ich von meinen Eltern begeistert empfangen: Meine Abwesenheit war ein willkommener Grund, sich nicht mehr nur um Großmutter kümmern zu müssen. Sie kamen unabhängig voneinander zu mir, um mir zu sagen, wie sehr sie mich vermisst hatten. Ich nehme an, meine Ferien hatten ihnen einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie das Leben sein würde, wenn ich in ein paar Jahren von zu Hause wegginge. Ihnen drohten endlose Tage unbelohnter Knechtschaft. Seit ihrer Ankunft hatte Granny sich bemüht, so hilflos und abhängig wie möglich zu werden, damit das Arrangement sich nicht als vorübergehend erweisen sollte.

Am Morgen nach meiner Rückkehr war ich im Wohnzimmer und durchsuchte den Sekretär nach ihrem verlegten Adressbuch. Es enthielt kaum ein halbes Dutzend Namen, die nicht durchgestrichen und mit einem beunruhigenden »T« versehen waren, und sie konnte es sowieso nicht mehr lesen, aber ihre Aufregung darüber, es verlegt zu haben, war so groß, dass das gesamte Haus Zimmer für Zimmer durchsucht wurde, um es zu finden. Ich hatte gerade ein altes Postsparbuch auf meinen Namen ans Tageslicht befördert, auf dem noch zwei Pfund waren, und übte in der Hoffnung, sie eines Tages abzuheben, meine Unterschrift im Alter von sieben Jahren, als ich hörte, wie die Briefkastenklappe klirrend zufiel und ein Päckchen auf die Matte fiel. Das Päckchen war an mich adressiert und enthielt eine neue Taschenbuchausgabe von Goodbye to All That, mit einer Widmung von bewundernswerter Knappheit: Für Abigail von Rad. Ich hatte nicht einmal versucht, Mr. Radleys zerfledderte Ausgabe zu lesen, aber mit dieser fing ich sofort an und hatte nach ein paar Absätzen beschlossen, dass es das beste Buch war, das je geschrieben worden war.

Ich kam nicht dazu, Rad für dieses Geschenk zu danken: Das nächste Mal, als ich zu den Radleys ging, war er nach Durham abgereist. Mr. Radley hatte darauf bestanden, ihn hinzufahren, obwohl Rad versucht hatte, es ihm auszureden, und das Thema wäre fast zum Enterbungsgrund geworden. Insgeheim dachte ich, dass es von Mr. Radleys Seite eher eine Frage von Sturheit als von Vaterstolz war. Als Autodidakt war seine Einstellung zu Universitäten schon immer ambivalent gewesen: Eine Kombination aus Neid und Verachtung. Im Endeffekt war es die Frage, wie viele Bücher mehr Rad im Auto mitnehmen könnte als im Zug, die die Frage zu Gunsten seines Vaters entschied. Später hörte ich, dass Mr. Radley gegen Ende der Fahrt eine ziemlich anmaßende Gleichgültigkeit für die Tankanzeige an den Tag gelegt hatte und dass das Auto kurz vorm Ziel stehen geblieben war. Sie waren gezwungen gewesen, es die letzten zweihundert Meter bis zu Rads Studentenwohnheim zu schieben, eine Demütigung, über die erst gegen Ende des Trimesters Gras wachsen würde.

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